das Raucherbein
das Raucherbein

Als das Raucherbein vor den Schöpfer trat

 

Es war Ende Mai, an einem dieser bereits vorsommerlichen heißen Tagen, Punkt 14:54 Uhr, als das amputierte Raucherbein vor den Schöpfer trat. So stand es nun vor ihm, dem Schöpfer, dem Allmächtigen, Herr über Diesseits und Jenseits. Es wollte schon mit Freundschaft grüßen. Denn Sie müssen wissen, das amputierte Raucherbein war um 14:53 noch linker Fortbewegungsbestandteil eines Wiener roten Bezirkspolitikers. Und in solchen Kreisen gilt die Gepflogenheit, mit Freundschaft zu grüßen. Erschrocken innehaltend, sich wahrscheinlich der falschen Begrüßungsformel zu bedienen, grüßt das amputierte Raucherbein kleinlaut und zögerlich mit „Grüß Gott“. Der Schöpfer: „Deare, wos steht aun? Ah seh schon, schon wieda a amputierter.“ Das Raucherbein, verlegen und irritiert über die legere Form wienerischen Ausdruckes des Schöpfers: „Ich wurde soeben im AKH von meinem …“ Der Schöpfer, dem amputierten Raucherbein amüsiert ins Wort fallend:“ Hot a zvü tschickt da Gustl. No da wird er a bold dahermarschieren, na, daherhupfen, er hot jo nur mehr an fuass.“ Und der Schöpfer beginnt herzlichst zu lachen. Das Raucherbein: „Ja er ist halt ein Kettenraucher und …“ Das Lachen des Schöpfers steigert sich nun zu einem infernalischen Lachanfall, da er als ironischer Interpret der deutschen Sprache das Wort Kettenraucher sofort zerfledern muss: „A Kettenraucher …. A Raucher geht in die Trafik und bestöllt beim Trafikanten a Packerl Ketten.“

 

Das Raucherbein nun endgültig verunsichert und kleinlaut: „Ja, verzeihen Sie, Herr Schöpfer …“ Jetzt hat den Schöpfer wieder ein Reizwort getroffen, jedoch eines, dass das infernalische Lachen abrupt enden und bei ihm einen ernsten, geradezu durchdringenden Blick entstehen lässt: „Ha, von woher wüsst du eigentlich wissen, das i a Herr bin. Host ma beim duschn zuagschaut. Die do unten mit ihren verherrlichenden Zuaschreibungen und Vorstellungen. Letztens is ana kumman und hot meinen Peace Sticker auf meiner Jackn als advantgardistischen Rosenkranz interpretiert. Und am gleichen Tog kummt a Rauhoordackel mit an Ariernochweis daher und bittet um Wiedergeburt als deutscher Schäferhund. Den Ariernochweis hot sein Herrl erstellt, so a ewiggestriger.“ „Und wurde er als Schäferhund wiedergeboren?“ fragt das Raucherbein zögerlich. Der Schöpfer, bereits wieder amüsiert: „Na, der rennt jetzt als linker hinterer Haxn von an sibirischen Wolfshund in Russland umher."

 

"Oba, jetzt im Ernst. Wos kaun i tuan fia di?“ Das Raucherbein antwortet nun schon etwas mutiger, da es erkannt hatte, dass der Schöpfer ein eher umgänglicher und gemütlicher Typ zu sein scheint. Eher einer von denen, die nach der Oper zum Würstelstand gehen und das Frankfurter mit ihren Fingern essen als, dass sie es hinter der Oper im Nobelrestaurant mit poliertem Messer und Gabel verzehren: „Ich bitte halt um eine Wiedergeburt und wenn es möglich ist, dann halt nicht wieder bei einer rauchenden Person oder - hier erinnert sich das Raucherbein an die gequälten Hilferufe der Leber seines Bezirkspolitikers, vor allem an den Morgen nach den Bezirksratssitzungen - nicht als Leber bei einem Alkoholiker. Denn da müsste ich halt wieder so viel Leid auf mich nehmen. Ich möchte endlich frei sein, die Bewegung spüren, laufen können, hunderte Kilometer am Tag und das ohne Schmerzen. Oder ein Vogelflügerl, das würd ich mir halt sehr wünschen.“ schließt das Raucherbein. Der Schöpfer betrachtet das Raucherbein, ernst in seinem Blick, den Wunsch und die Bedürfnisse des Raucherbeines richtig zu verstehen und entgegnet: „Na schaun ma amoi.“

 

Und der Schöpfer ruft mit lauter Stimme nach seinem Sektionschef für die Reinkarnation von amputierten Raucherbeinen. „Heast Koarl, do is a amputierter linker Haxn von an Tschika, der wieda obe wüll, homa wos?“ Und aus einem Nebenraum tönt es ebenfalls laut schallend zurück: „Woart a bissl Klaus-Marie, jo im Tiergortn hots an Steinadler zerrissen, der braucht an linkn Flügl.“ Der Schöpfer in sich hineinmurmelnd, so dass es das Raucherbein nicht verstehen kann: „Die leben jo in so an großn Käfig und fliagn den gaunzn Tog 50 meta viare und wida zruck. Do wunderts mi net, dass si de dastessn.“ Und sogleich wird das Raucherbein, die mögliche Anwartschaft der Reinkarnation nicht richtig wahrnehmend, da es vielmehr über den Vornamen des Schöpfers nachdenkt, Klaus-Marie, Herr, Frau oder nein, ein Zwitter ist der Schöpfer, fährt es durch seinen Kopf, durch den Schöpfer mit einem wunderbar klingenden Vorschlag aus seiner Gedankenklauberei geholt. „Hm, najo wir hättn schon wos, strikter Nichtraucher, Antialkoholiker und jedn Tog in Bewegung, a linker Fliagl für an König der Lüfte, an Odla.“ Die etwas eingeschränkte Bewegungsfreiheit der 50 Meter verschweigt der Schöpfer wohlwissend, da, wenn ihm etwas zustösst, er ohnehin wieder vorsprechen wird. Und in der heutigen Zeit lebt das Geschäft sowieso fast ausschließlich vom richtigen und effizienten Verkaufen. Die richtigen Produkteigenschaften mit den zentralen Bedürfnissen des Kunden in Verbindung setzen. So wurde es ihm eingetrichtert, im Seminar Marketing für Wiedergeburten. Und der Schöpfer beginnt mit seinen weiteren Ausführungen im Raucherbein, wie er es im Seminar „Wie führe ich optimal das Verkaufsgespräch“ gelernt hatte, die Vision der freien, unbeschwerten Bewegung zu suggerieren. Genau das, nach was das Raucherbein in den letzten Jahren so stark gierte. Dem Raucherbein wird es ganz warm in seinem Innersten. Freudestrahlend fühlt es, wie wieder das Blut in seinen degenerierten Venen zu zirkulieren beginnt und die porösen Venenwände sich straffen. Ganz klar, sieht das Raucherbein, wie es mit wuchtigen Flügelschlägen durch die Lüfte fliegt, frei von Schmerz, frei von jeglicher Behinderung, die kühle Luft sanft über seine Federn streicht. Und so wurde das amputierte Raucherbein, nach ein paar notwendigen verwaltungstechnischen Abklärungen, der Abteilung Reinkarnationslogistik zugewiesen und noch am selben Tag als linker Flügel des verunglückten Steinadlers wiedergeboren.

 

Und was rief der Schöpfer lautstark in den Nebenraum, nachdem er am Abend zu Dienstschluss, zufrieden seiner getanen Arbeit an seinem Schreibtisch sitzend, den positiv abgeschlossen Reinkarnationsantrag 7-44 b 13i des Raucherbeins auf den Stapel mit den Formularen sofortige Reinkarnation gelegt hatte: „Hearst Koarl, gehn wir ane tschicken?“

 

 

 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diese Geschichte liegen beim Autor Anton Six.
All rights of this story belong to its author Anton Six.