Mein schönstes Weihnachtsgeschenk

Ein Schulaufsatz von Peter

 

Weihnachten dieses Jahr war echt cool. Denn, ich habe ein Krokodil bekommen. Nein, keines aus Plastik oder aus Gummi. Nein, sondern ein ganz echtes und lebendiges. Bevor ich aber näher auf mein Geschenk eingehe, möchte ich zuallererst etwas über meine Familie erwähnen. Mein Vater ist der oberste Manager eines großen Konzernunter-nehmens und hat einen festen narzisstischen Knall. Und in diesem Sinne müssen seine Geschenke auch immer etwas ganz Obiges sein. Sie zeigen oft eine tiefergehende, nicht sofort erkennbare und zuschreibbare Symbolik. Denn in Anbetracht des Krokodils stelle ich mir die Frage, wie viele Leute er wohl gefressen hat, im Zuge des Erklimmens seiner Karriereleiter ganz nach oben. Und meine Mama, die trägt auch solche obige Züge. Sie ist Vorsitzende des Elternvereins, Vorsitzende der privaten Stadtbücherei und und und. Und seitdem der Papa eine Liebschaft mit einer Arbeitskollegin hat, ist sie auch festes Mitglied bei den Anonymen Alkoholikern. Es wird sicher nicht lange dauern, so wird sie auch dort eine höhergestellte, ehren-amtliche Tätigkeit übernehmen. Denn das weihnachtliche Getue kann oft erst dann richtig verstanden werden, wenn man die familiären Hintergründe näher kennt. Aber jetzt zu meinem Geschenk.

 

Also, ich war schon sehr perplex, wie ich das Wohnzimmer betreten habe und unter dem großen Weihnachtsbaum ein echtes Krokodil weilte. Papa hat zur allgemeinen Sicherheit das Krokodil mit Leukoplast am Boden festgeklebt. Da das Thema des Weihnachtsbaumes dieses Jahr italienischer Spätbarock war, hat Mama darauf bestanden, ein Leukoplast in weihnachtlicher Ausführung zu verwenden, in der Farbe venezianisch rot.

 

Und unter dem gänsehauterzeugenden Geplärre meiner Großtante, sie stimmte das Lied „es ist ein Ros entsprungen“ an, betraten nach mir meine Mama, der Papa, die Oma und der Opa, sowie mein Onkel den idyllischen Bescherungsraum. Der Onkel reiste eigens aus Brasilien an. Denn er wohnt dort schon seit Jahren bei einem Naturstamm. Er ist quasi ein Aussteiger. Und als letztes trippelte Isabell-Josefin in das Wohnzimmer. Isabell-Josefin ist das kleine Schoßhündchen von der Mama. So ein ganz kleines Hündchen, welches in der Woche drei Mal zum Hundefriseur zum Styling gebracht wird. Also, für einen 13-jährigen normal denkenden Knaben, so ein kleines, scheiß, geistig voll degeneriertes Hundsviech, das gleich überall hingerannt kommt, und auch das Unbekannte freudigst begrüßt. Und an diesem Abend rannte sie schnurstracks zum Krokodil. Und als Isabell-Josefin vor dem Krokodil freudenstrahlend herumhopste, um zu zeigen, was es denn für ein besonderes Hunderl ist, blinzelte das Krokodil mit dem linken Auge kurz auf und machte schnapp. Und Isabell-Josefin begab sich auf die missliche Reise, den Verdauungstrakt des Krokodils zu erkunden.

 

Als Mama das sah, entsprang aus ihrer femininen Kehle ein spitzer, markdurchdringender Schrei, die rechte Hand dabei eloquent zur rechte Schläfe führend, untermauert mit der Haltung einer gerunzelten Aphrodite, bis sie der diesmal nicht vorgespielte Ohnmachtsfall, endlich zu Boden riss. Das Krokodil durch diesen Schrei aufgeschreckt, spuckte Isabell-Josefin sofort wieder aus, löste sich mit einem kräftigen Ruck aus der Leukoplastumklammerung und erklomm mit einem galanten Satz den Weihnachtsbaum. Dieser geriet aber, unter dem nicht typischen Weihnachtsbehang ins Wanken, das Krokodil stieß sich nochmals kräftig vom umfallenden Baum ab, hantelte sich auf das Top des großen Bücherschranks und der Weihnachtsbaum krachte mit all seinen brennenden Kerzen in den Vorhang. Aber zum Glück war ja Opa zugegen. Opa, der ehemalige Chef der Wiener Berufsfeuerwehr, ist bei den weihnachtlichen Bescherungen immer mit einem Handfeuerlöscher bewaffnet. Und heuer konnte er endlich, nach den vielen Jahren des nichts Geschehens, zu einem Einsatz schreiten. Fachmännisch bekämpfte er das lodernde Feuer, während die Oma und die Großtante fürsorglich besorgt waren, die Mama wieder zum Leben zu erwecken. Und sie träufelten ihr einen Weinbrand ein. Ich denke aber, dass die Wiederbelebung nicht auf den Weinbrand zurückzuführen war, denn dies war sicher schon ihr achter oder neunter an diesem Tag. Nein, die Wiederbelebung war eher auf das beherzte Gesichtsabschlecken durch Isabell-Josefin zurückzuführen. Denn Isabell-Josefin verbreitete, durchtränkt von den Speichelsäften des Krokodils, einen solchen bestialischen, nach Ammoniak duftenden Gestank, sodass Papa noch an Ort und Stelle das weihnachtliche Gourmetbuffet mit seinem Mageninhalt formvollendet verzierte.

 

Durch Opas professionellen Einsatz war das Feuer schnell gelöscht und der Onkel als Kenner der Dschungel-zustände machte sich daran, mit einem Sack und einem Stock, das Krokodil einzufangen. Das ging sehr schnell. Denn das Krokodil war wahrscheinlich von meiner Familie so was von paralysiert, dass es hurtig in den Sack flüchtete. Gut verstaut im Sack, machte sich Papa mit dem Krokodil umgehend auf den Weg in das Tierschutzhaus. Ich glaube, er erkannte, was für einen Narzissten ja nicht so gängig ist, dass dieses Geschenk doch wohl ein wenig überzogen war.

 

Nun denn, irgendwie waren das die coolsten Weihnachten, die ich bisher erlebt habe. Und irgendwie hatte ein jeder sein besonderes Geschenk erhalten. Die Mama konnte wieder ihre Isabell-Josefin in die Arme schließen. Dies machte sie aber erst, nachdem Sie die Hundefriseuse, noch am Heilig Abend, mit einer christlichen Extragage von 2.000 Euro davon überzeugen konnte, das kleine Hundsviech mit viel Shampoo und Parfum wieder schmusetauglich zu machen. So nebenbei möchte ich erwähnen, dass sich die Mama und die Hundefriseuse vom Klub der anonymen Alkoholiker her kennen. Diese leidet auch unter einer Liebschaft ihres Mannes. Und als Isabell-Josefin so gegen vier Uhr früh wieder schmusetauglich war, war die Flasche Weinbrand auch geleert.

 

Der Opa konnte endlich wieder einmal seine Passionierung als Feuerwehrmann unter Beweis stellen und die Oma und die Großtante erkannten sofort das wahre Potential dieses Erlebnisses. Denn die Großtante sendete umgehend, per Rund-SMS, die Einberufung zum nächsttäglichen Altweiberkaffeehaustratsch aus. Der Papa kam vom Tierschutzhaus erst wieder am nächsten Tag am Nachmittag nach Hause. Wahrscheinlich war das für ihn das unerwartete Geschenk die Nacht mit seiner Liebschaft zu verbringen. Und der Onkel war dankbar dies alles mitzuerleben. Denn dieser Vorfall bestätigte ganz und gar, warum er ausgestiegen ist.

 

Als endlich wieder Ruhe eingekehrt war, zogen wir uns, der Onkel und ich, ganz leise und unbehelligt der Blicke der anderen, in den Wintergarten zurück. Wir ließen uns erschöpft in die Rattanliegen fallen, der Onkel begann sich eine Zigarette mit so einem komisch riechenden Kraut aus dem Dschungel zu drehen und wie er sich diese genüßlich anzündete, sagte er zu mir: Siehste Bub, hättest Du eine Rennbahn bekommen, würden wir mittlerweile da oben sitzen und uns so richtig anfetzen. Endlich gewahr der Stille des Heilig Abends, blickten wir durch das große Fenster über uns und der helle Glitzer der Sterne der Weihnachtsnacht rieselte besinnlich auf uns herab.


 

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